Bürgerversammlung Asylantenheim in Steinegg am 27.12.2013

Note to my English speaking readers: Because of the importance of the topic “planned home for asylum seeking people in Steinegg” I will continue to publish related articles in German only.

Eine Bürgerversammlung mit Polizeipräsenz habe ich – in der Gemeinde Neuhausen zumindest – noch nicht erlebt. Ruhig blieb es zwar nicht. Polemisiert wurde viel. Und die schlimmsten Entgleisungen haben den meisten Applaus bekommen. Wäre ich des Fremdschämens fähig, am Freitagabend bei dieser Veranstaltung war die perfekte Gelegenheit. So bleibt nur eine nüchtern festzustellende riesengroße Angst, gepaart mit Feigheit, Wut, Enttäuschung und Verantwortungslosigkeit.

Was mir am signifikantesten gefehlt hat in der Bürgerversammlung war ein Mangel an Verantwortung für die Situation als solche. Die Resultate der Kolonialzeit, in der Grenzen quer durch ethnische Gruppen scheinbar willkürlich gezogen wurden, die heute noch – viele Generationen später – für andauernde Konflikte sorgen – unsere Schuld. Der Verkauf von Waffen an scheinbar befreundete Staaten, bis auf den heutigen Tag, die sich im Laufe der Zeit in politisch instabile Systeme verwandeln – unsere Schuld. Der Egoismus ganzer Generationen praktisch aller in den Industriestaaten, der zu beschleunigter Armut und Konflikten in anderen Teilen der Welt geführt hat und weiter führt – unsere Schuld. Tja, und jetzt kommen aktuell etliche Asylbewerber mehr, und wir – als Gemeinschaft, Staat, Land, Kreis – müssen über den etablierten Bedarf hinaus Platz zur Verfügung stellen. Und dann? Der Konsens gestern. Ja, schon – aber bitte nicht hier und wenn dann nicht so viele. Im Interesse der ach so beschworenen Achtsamkeit gegenüber den Asylbewerbern, denen man eine solch beengte Unterkunft in ach so baufälligem Zuhause nicht zumuten kann. Aber einen Platz in der hoffnungslos überfüllten zentralen Aufnahmestelle in Karlsruhe, den muten wir ihnen mit dieser Haltung zu. Beziehungsweise schieben das Problem an andere Gemeinden ab. Und wir schieben politische Rahmenbedingungen, die zweifellos verbesserungswürdig sind, als Grund für eine Verweigerung humanitärer Hilfe vor.

Und ein anderes, oft gehörtes Argument gestern Abend, die Integrationsfähigkeit des Ortes Steinegg. 50 Asylbewerber sind zu viel. Zwei Dinge frage ich mich. Erstens, was macht den Unterschied zwischen 20 und 50? Nein, ernsthaft. Was genau macht den Unterschied. Warum exakt lassen sich 20 integrieren, aber 50 nicht. Wo genau ist die Grenze. Und auf welchen empirischen Daten beruft sich diese Aussage. Zweitens, der Vergleich, der auch gestern Abend vorgetragen wurde, zwischen den Flüchtlingen nach dem 2. Weltkrieg und der Situation der Asylbewerber heute. Ich denke da ist mehr als die Sprachbarriere – es ist eine vollständig andere Situation. Nach dem 2. Weltkrieg nahmen wir, auch in Steinegg, Flüchtlinge vor allem aus den vormals deutschen Gebieten im Osten auf. Die Rahmenbedingungen waren klar. Die Leute waren hier und wollten es auch bleiben. Es ging tatsächlich um Integration. Für die Asylbewerber von heute gilt dies eben nicht. Die meisten Asylanträge werden abgelehnt. Und selbst die die bleiben werden in den seltensten Fällen auf Dauer in Steinegg wohnen bleiben, nachdem ein Antrag positiv entschieden ist. Integration bleibt also beschränkt auf ein friedliches Miteinander. Auf das zur Verfügung stellen von Wohnraum für einen beschränkten Zeitraum. Auf ein freundliches Hallo bei einer Begegnung auf der Straße oder bei Veranstaltungen. Und vielleicht auch auf Begegnung. Gemeinsames kochen, spielen – und im besten Fall auch im gegenseitigen Zuhören – sofern wegen sprachlicher Barrieren möglich.

Was mich am meisten enttäuscht hat war dass an diesem Abend die Angst den Mut besiegt hat. Den Mut, der uns geholfen hätte menschlich zu handeln. Der Mut, mit Zuversicht zu sagen, wir haben keine Ahnung wie das gelingen kann, aber wir stellen uns dieser Aufgabe. Aus diesem Mut heraus habe ich, ohne zu überlegen, als einziger für das Asylanten-Wohnheim in Steinegg meine Hand gehoben.