Offener Brief an die Verantwortlichen des Projekts “Asylanten-Wohnheim Steinegg”

Sehr geehrter Herr Herz,
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Korz,
Sehr geehrte Damen und Herren des Gemeinderats der Gemeinde Neuhausen,
Sehr geehrter Herr Pfarrer Heß,
Sehr geehrte Damen und Herren des Pfarrgemeinderats Neuhausen,
Sehr geehrte Frau Klumpp für den Pfarrgemeinderat Steinegg,
Sehr geehrter 
Herr Waibel,

Eine etwas andere Stellungnahme.

Als ich mit einem Mitarbeiter des Projektes “Grandhotel Cosmopolis” telefoniert habe, kam als erster Kommentar der Hinweis auf eine aktive, die Bürger einbeziehende Informationspolitik. Nur so ließe sich die Bevölkerung positiv einstimmen, zur Zustimmung und letztlich Unterstützung motivieren. Und die Unterstützung der Bevölkerung ist notwendig, damit ein solches Projekt gelingen kann. Ich denke, dieser Punkt spielt bei den bisher sehr negativen Reaktionen eine wichtige Rolle. Schön wäre es, wenn die Hauptverantwortlichen für den Kauf des Hauses und der Nutzung als Asylantenwohnheim, also der Enzkreis, sich aktiv dieses Themas annehmen könnten. Eine Informationsveranstaltung ist notwendig, in der über den Ablauf der Planung berichtet wird. Auch könnte jemand eingeladen werden, der von einem erfolgreichen Projekt berichtet, der Fragen beantworten und Ängste beschwichtigen könnte. Ohne sachliche Information der Verantwortlichen fehlt die Ausgewogenheit, die derzeit so dringend nötig wäre. Die Bürgerversammlung in Steinegg jedenfalls war sehr einseitig.

Ansonsten liegt mir am Herzen, meine Zustimmung zum geplanten Asylanten-Wohnheim auszudrücken. Ich möchte Ihnen Mut machen, auf dem eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Nicht nur, weil wir müssen, weil die Politik oder die sogenannten Sachzwänge uns dazu nötigen, und es schweren Herzens getan werden muss. Sondern weil es geboten ist zu helfen. Ich habe dazu in vorangegangenen Artikeln auf meinem Blog Stellung bezogen und will die Argumente hier nicht wiederholen, sondern verweise auf diese Artikel.

Was mir an der Argumentation der Gegner des Asylanten-Wohnheims auffällt, ist eine Scheinheiligkeit. Da wird mit Verweis auf humanitäre Gründe angemahnt, dass die Asylbewerber nicht genug Wohnraum zur Verfügung hätten. Dazu nur zwei Punkte.

  • Proteste, die sich an politischen Rahmenbedingungen aufhängen, gehören – bei entsprechendem Engagement – an den richtigen Platz. Lapidar gesagt, wem nicht gefällt, wie wenig Wohnraum einem Asylbewerber zusteht, der soll in Stuttgart oder Berlin protestieren, nicht jedoch in Steinegg und auf Kosten eben jener Asylbewerber, um die es doch vorgeblich geht.
  • Wem die Lage der Asylanten wirklich am Herzen liegt, dem sei ein Besuch in der Landesaufnahmestelle in Karlsruhe empfohlen. Und vielleicht wird dann deutlich, warum mehr – nicht weniger – Plätze für Asylbewerber auch in unserer Gemeinde gebraucht werden.

Und dabei stelle ich nicht in Frage, dass natürlich weniger Asylbewerber auf gleichem Raum weniger Konfliktpotential bedeuten. Es geht mir darum festzustellen, dass  mit Argumenten gearbeitet wird, die hier nicht hergehören.

Auch sonst beruht die Argumentation der Gegner auf der Grundannahme der über dem Durchschnitt liegenden Kriminalitätsrate bei Asylbewerbern. Ich habe keine Statistik gefunden, die dies belegen würde. Es gibt jedoch etliche Quellen, die zeigen, dass Asylbewerber nicht grundsätzlich häufiger straffällig sind.

Warum also wird immer noch damit argumentiert, dass Frauen und Töchter nicht mehr sicher seien in der Nähe von Asylanten-Wohnheimen? Sind diese Ängste tatsächlich so weit verbreitet, dass niemand sich traut, aufzustehen und Stop zu sagen? Mich haben insbesondere die Atmosphäre und die Aussagen einiger Besucher bei der Bürgerversammlung in Steinegg kurz nach Weihnachten ganz böse an Filme über die Zeit der Nazi-Herrschaft erinnert. Fast schien mir, die Asylanten sind die neuen Juden. Vor allem an diesem Punkt bedarf es eines mutigen Auftretens.

Ich habe über die Weihnachtstage und danach in etlichen Gesprächen und Kommentaren zu meinem Blog viel Zustimmung erfahren, und ich weiß, dass viele in der Gemeinde ähnlich denken und sich engagieren. Vor allem dies möchte ich Ihnen mitgeben. Lassen Sie sich nicht von Angst, Irrationalität, Unwahrheiten und der Stimmung in der Bürgerversammlung beeindrucken. Die Wahrhaftigen, die Mutigen, die Engagierten sind da. Ich wünsche Ihnen für die anstehenden Schritte Mut.

Mit herzlichen Grüßen

Signature_black